Einmal nachhaltige Kosmetik bitte! 100% natürlich versteht sich.
Ob Supermärkte, Reformhäuser oder Drogeriemärkte – Gang an Gang reihen sich gefüllte Regale mit Kosmetik- und Pflegeprodukten. Von konventionell, bio, natürlich oder vegan – der Schutz oder die Verwendung von natürlichen Ressourcen, eine sozial-verantwortungsvolle Herstellung der Produkte oder hohe Tierschutzstandards – das alles wird immer mehr auch bei kosmetischen Produkten nachgefragt. Kurz um: Erwartungen, die Hersteller beispielsweise nur mit der Verwendung zertifizierter natürlicher Inhaltsstoffe, der Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen und einem Verbot von Tierversuchen sowie tierischen Inhaltsstoffen erfüllen können. Klingt doch ganz einfach, theoretisch zumindest. Praktisch sieht es ganz anders aus und so gibt es für uns Konsument:innen einiges zu beachten auf der Suche nach einer nachhaltigen Kosmetik, die natürlich ist.
Bahn frei! Der Name “Naturkosmetik” oder „Bio“ ist nicht geschützt.
Eines vorweg: Naturkosmetik ist nicht gleich Naturkosmetik. Was ich damit meine, fragst du dich? Auch wenn Naturkosmetik draufsteht, muss nicht Naturkosmetik drinnen sein. So lautet die “Zauberformel” vieler Fake-Hersteller: Entwickelt eine chemisch zusammengesetzte Creme, fügt einen Tropfen “Bio-Öl” hinzu und – Simsalabim – ist das Naturprodukt fertig. Wie das sein kann? Ganz einfach: Auf europäischer Ebene gibt es bisher noch keine einheitliche und gesetzliche Grundlage für die Definition von Naturkosmetik oder auch Bio. Einzig und allein biete das Österreichische Lebensmittelbuch Einblicke, was wir Konsument:innen uns von Naturkosmetik erwarten können. Auf den ersten Blick zumindest. Ein Definitionsversuch auf Basis von Europarat, dem Österreichischen Lebensmittelbuch und Wikipedia lautet:
Naturkosmetik besteht aus “pflanzlichen, tierischen oder mineralischen“ Rohstoffen, die nicht nur den Menschen, sondern auch die Umwelt schonen.
Bei genauerer Betrachtung offenbart sich ein etwas anderes Bild. In den meisten Fällen bestimmen die Produzenten selbst, was die “Natur” umfasst und was nicht. Ebenso verhält es sich mit “schonend”. Und so zieren heute unzählige Naturkosmetik-Gütesiegel die Produktverpackungen. Allesamt auf Basis unterschiedlicher privatrechtlicher Richtlinien. Also: Bye, bye Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Und Hello, Gütesiegel-Wirrwarr.
Inhaltsstoffe: Wer wird hier gleich die Flinte ins Korn werfen?
Eines ist fix – es gibt sie, die guten unter den weniger guten Inhaltsstoffen. In anderen Worten: die gute Naturkosmetik und die weniger gute „naturnahe“ Kosmetik. Zu zweiterem zählen alle Produkte, in denen sich zwar pflanzliche Inhaltsstoffe befinden, der Verzicht von synthetischen Inhaltsstoffen jedoch kein Kriterium ist. Wie die gängigsten natürlichen und veganen Rohstoffe in deiner Naturkosmetik lauten, das erfährst du hier.
Arganöl, Sojaöl, Olivenöl, Ätherische Öle, Kräuterextrakte, Sheabutter, Blütenwasser, Kakaobutter, Zucker für waschaktive Substanzen und fermentativ gewonnenes Ethanol.
Bei zertifizierter Naturkosmetik sind außerdem folgende Rohstoffe ausgeschlossen:

Findest du einen dieser Inhaltsstoffe auf der Verpackung, dann handelt es sich um keine echte Naturkosmetik. Dort sind im Übrigen alle Inhaltsstoffe eines Kosmetik- und Pflegeprodukts abgebildet. Die größte Menge zu Beginn, die kleinste zum Schluss. Noch dazu sind die Namen der Inhaltsstoffe europaweit gleich. Wunderbar, wäre da nicht die Kleinigkeit mit der Verständlichkeit. Und hier kommen wir zur schlechten Nachricht: Denn die INCI-Liste (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients), die alle Inhaltsstoffe der Kosmetikprodukte aufführt, zu entschlüsseln, das ist alles andere als einfach. Weniger kompliziert klappt es mit den Apps CodeCheck (Community-Plattform) oder ToxFox. Du braucht nur den Barcode zu scannen und schon überprüfen die Apps das Produkt auf chemische sowie hormonelle Stoffe, Palmöl, Mikroplastik und was sich ansonsten noch als heilbringendes Wundermittel in den Fläschchen verbirgt.
Du weißt es und ich weiß es auch: Auf das richtig Gütesiegel kommt es an.
Neben dem oftmals nervenintensiven Analysieren der Inhaltsstoffe gibt es eine weitere Möglichkeit um bei Naturkosmetik auf Nummer sicher zu gehen: der Griff zu zertifizierten Produkten mit einem Naturkosmetik-Siegel. Du hast aber keine Ahnung, welche Labels das sind? Macht nichts. Die wichtigsten Labels habe ich für dich zusammengefasst:
BDIH - COSMOS Standard
Naturkosmetik, die mit dem Siegel „BDIH – kontrollierte Naturkosmetik“ und dem Zusatz „COSMOS natural“gekennzeichnet sind, enthalten ausschließlich natürliche Rohstoffe. Das strengere Siegel mit dem Zusatz COSMOS organic bedeutet, dass mindestens 95 Prozent der pflanzlichen Inhaltsstoffe aus der Öko-Landwirtschaft stammen.

NATRUE
NaTrue ist eines der bekanntesten Siegel für Naturkosmetik aber auch Biokosmetik. Obwohl für Naturkosmetik zwar strenge Vorgaben im Hinblick auf die Inhaltsstoffe und Verarbeitung bestehen, ein Bioanteil ist nicht vorgegeben. Naturkosmetik (Natural Cosmetics), Naturkosmetik mit Bioanteil („Natural Cosmetics with Organic Portion“ – Bio-Anteil der pflanzlichen Inhaltsstoffe von min. 70 Prozent) und Biokosmetik („Organic Cosmetics“ – Bio-Anteil der pflanzlichen Inhaltsstoffe sogar bei min. 95 Prozent). Heute sind mehr als 6.500 Produkte von 280 Marken mit dem Siegel versehen.

ECOCERT
Ecocert zertifiziert sowohl Naturkosmetik als auch Biokosmetik. Das Gütesiegel mit dem Zusatz „Naturkosmetik“ bestätigt, dass mindestens 50 Prozent der pflanzlichen Inhaltsstoffe sowie mindestens 5 Prozent der gesamten Inhaltsstoffe aus ökologischem Anbau stammen. Im Gegensatz zum Zusatz „Biokosmetik“, wo der Bioanteil bei mindestens 95 Prozent der pflanzlichen Inhaltsstoffe und mindestens 10 Prozent der gesamten Inhaltsstoffe liegt.

Austria Bio Garantie
Das Gütesiegel verlangt, dass 95 Prozent der Inhaltsstoffe aus biologischem Anbau stammen.

DEMETER
Das Demeter-Siegel besagt, dass 100 Prozent der pflanzlichen Inhaltsstoffe im Produkt aus biologischem Anbau stammen und mindestens 90 Prozent aus Demeter-zertifiziertem Bio-Anbau.

Puhhh. Obwohl ich stets versuche, möglichst viele Facetten eines Themenbereichs abzudecken, bei dieser Nachhaltigkeitsserie stoße ich an meine Grenzen. Denn auch wenn ich gefühlt hunderte Texte gelesen haben, ich erfahre immer wieder Neues, je tiefer ich in das Thema eintauche. Mein Zwischenfazit: Ob nun konventionell, bio, natürlich oder vegan – es gibt kaum eine Branche, die “Nachhaltigkeit” dermaßen stark für sich beansprucht wie die Kosmetik. Unweigerlich entsteht dadurch der Eindruck, dass bei vielen Produkten Nachhaltigkeit zum Accessoires OHNE Inhalt wird und ausschließlich der Konsument:innentäuschung dient. Was schade ist, da nachhaltige Kosmetik als ein ganzheitliches Konzept nicht nur auf die Umwelt, sondern auch die Menschen und die Tiere achtet. Natürliche Inhaltsstoffe spielen hier eine wichtige Rolle.
What's next?
Achtung Gedankenwirrwarr: Muss vegane Kosmetik auch bio sein, unter fairen Bedingungen hergestellt werden und wie steht es um ein echtes Verbot von Tierversuchen? Allesamt Gedanken, auf die ich im nächsten Teil der Nachhaltigkeitsserie eingehe.
Liebe Grüße,
ICH
by Nadina Ruedl
Mehr dazu erfährst du auf meinem YouTube-Kanal „Vegan. Mehr als nur Essen. Liebe Grüße, ICH“.
Quellen:
- Welt.de; So-umgehen-Sie-die-Verfuehrungsfallen-im-Supermarkt.
- Deutsche Gesellschaft für Hautgesundheit; INCI-LISTE.
- Kommunikationsplattform VerbraucherInnengesundheit; Das Österreichische Lebensmittelbuch.
- Lebensmittelbuch.at; Österreichische Lebensmittelbuch.
- Arbeiterkammer; Konsumentenschutz.
- ots.at; facit Nachhaltigkeitsstudie Kosmetik 2019.
- codecheck.info; codecheck.
- global 2000; Naturkosmetik-check.
- bund.net; toxfox.
- vzhh.de; Verbraucherzentrale Hamburg.
- Greenpeace; Greenpeace-Report: Drei Viertel der Kosmetikprodukte mit Plastik belastet.