Ethisch verwerflich, juristisch allerdings nicht: Willkommen in der Greenwashing-Zone.
Greenwashing – weniger Phänomen, mehr Verkaufsschlager. Befeuert durch unsere Sehnsucht nach einem wahrhaftig nachhaltigen Lebensstil. Und dem Verlangen nach bewussten Konsumentscheidungen. Eh klar – gehört der Kauf von grünen und umweltfreundlichen Produkten oder auch Dienstleistungen ohnehin schon zu unserem Alltag (Alternativen dazu bietet die nachhaltige Konsumpyramide. Mehr dazu in meinem Video #2, online ab 10.12.20). Doch hält deine Lieblings-Marke, die sich – seit neuestem – sehr umweltbewusst präsentiert, auch was sie verspricht?
Schon im Kindesalter lernten wir: Du sollst nicht lügen! Von grünen Lügen war da keine Rede. Ist also Greenwashing das Schlupfloch?
Wie bei so vielem steckt der Unterschied im Detail. Greenwashing stellt eine Form der Verbraucher*Innentäuschung dar, wobei es sich dabei um nichts Illegales handelt. Eine Lüge hingegen ist verboten und zählt zu unlauterem Wettbewerb. Scheint doch ganz einfach. Theoretisch!
Vorsicht: Greenwashing
Doch was steckt nun hinter Greenwashing? Bei Greenwashing nutzen Unternehmen gezielt Marketing- und PR-Maßnahmen, um sich nachhaltiger und umweltfreundlicher darzustellen als sie vielleicht tatsächlich sind. Durch Geldspenden an vermeintlich nachhaltige Projekte, das Kreieren grüner Labels oder das Hervorheben von Inhaltsstoffen wird ein ökologisches Produkt oder Verhalten beworben. Was wirklich dahintersteckt ist oft alles andere als grün. Praktisch. So lässt sich mit dem guten Gewissen von uns Konsument*innen viel Geld verdienen.
Genauer gesagt: 47 Milliarden Euro gaben deutsche Konsument*innen für ihre grüne Ernährung, Wohnen, Mobilität und sonstigen Konsum im Jahr 2017 aus. Doch das ist nur der Anfang. Bis 2030 soll jedes dritte Produkt grün sein. Und damit sich dein Griff zu einem grünen Produkt nicht nur auf den Unternehmensumsatz auswirkt, sondern auch auf den Umweltschutz, habe ich dir die beliebtesten Greenwashing-Strategien kurz zusammengefasst.
Los geht's. Ich bin dann mal von Kopf bis Fuß auf Greenwashing eingestellt:
Wie bei so vielem steckt der Unterschied im Detail. Greenwashing stellt eine Form der Verbraucher*Innentäuschung dar, wobei es sich dabei um nichts Illegales handelt. Eine Lüge hingegen ist verboten und zählt zu unlauterem Wettbewerb. Scheint doch ganz einfach. Theoretisch!
1. Her mit dem einzigen umweltfreundlichen Produkt zum Verharmlosen des gesamten Sortiments.
Wenn Mode-Unternehmen irgendwie so gar keine Lust haben ihr gesamtes Sortiment nachhaltig zu produzieren, dann nehmen sie sich einfach „den einen angebotenen Pullover aus BIO-Baumwolle“ zum Greenwashing der gesamten Marke heraus.
2. Alarmstufe grünes Wording.
Da war doch noch etwas. Ja, die Sache mit den rechtlich nicht geschützten Begrifflichkeiten. Fakt ist: Was „regional“, klimafreundlich“, „umweltschonend“, „natürlich“, „naturnah“ oder „nachhaltig“ ist – wo es anfängt, aber auch endet – das entscheiden die Unternehmen selbst. Diese Werbebegriffe ziehen sich über alle Branchen. Blickt man auf die Kosmetikindustrie, so ist es nur wenigen bekannt, dass selbst der Begriff „Naturkosmetik“ nicht geschützt ist. Nicht überrascht sein, aber Mikroplastik, Parabene, Silikone oder auch Erdölprodukte, das alles steckt in „Naturkosmetik“. Erst wenn ein anerkanntes Naturkosmetik-Siegel am Produkt zu sehen ist, erst dann sollte man auch an das Wunder Naturkosmetik glauben.
3. Alles Bildsprache: Oder wo bleiben die glücklichen Kühe, Blumenwiesen und Panda-Babys?
Wer kennt das nicht? Bilder mit lachenden Gesichtern, idyllischen Blumenwiesen oder Schmetterlingen. Und mein persönlicher Favorit: Die glücklichen Kühe, auf der saftigen Almwiese – die ziehen doch immer. Sollten jedoch die Kühe gerade einmal nicht zum Produkt passen, dann eben das altbewährte grüne Blatt. Das passt überall und ziert bereits unzählige Produktverpackungen. Doch die absolute Königsdisziplin möchte ich dir nicht vorenthalten: Unternehmen, die einfach ihr Logo oder gleich die ganze Produktverpackung grün einfärben.
4. 100 % natürliches Mandelöl oder andere unerreichbare Ziele.
100 % natürliche Inhaltsstoffe oder 100 % umweltfreundlich. Eh klar. Besonders gerne verwenden Hersteller von Kosmetikprodukten diese Slogans. Warum? Häufig wird die Natürlichkeit eines einzelnen Inhaltsstoffes, sagen wir mal „Öl“ z.B. Mandelöl oder Avocadoöl, mit „100 % natürlich“ werbewirksam auf der Verpackung hervorgehoben. Selbst wenn die enthaltene Menge des Inhaltsstoffes nur zu einem sehr geringen Anteil enthalten ist.
Für alle die genauso wie ich auf diesen Slogan schon einmal reingefallen sind – 100 % umweltfreundlich gibt es nicht. Wieso? Jedes Produkt hat eine Wertschöpfungskette hinter sich. Neben CO2 hat es sicherlich auch andere Emissionen rausgepustet.
5. Recycelte Produkte.
Recycelte Produkte sind top und liegen voll im Trend. Beschönigt wird nur oftmals, wie hoch der Anteil an recyceltem Material ist. Wenn also große Mode-Unternehmen mit recycelten Produkten werben, dann kann es leicht vorkommen, dass gerade einmal 0,2 bis 0,6 % der gesamten Kollektion aus recycelten Materialien bestehen. Was vielen auch nicht bekannt ist: Recycelte Textilien sind nicht zwingend recycelbar. Echt Paradox. Beispielsweise Outdoorjacken. Sie bestehen häufig aus einer Vielzahl an Materialien und werden so mit Chemikalien behandelt. Das macht ein schlussendliches recyceln nur schwer möglich und viele Kunststoffkleidungsstücke sehen ihrem Ende in der Verbrennungsanlage entgegen.
Zu meinen ganz persönlichen Greenwashing-Leckerbissen zählen: Verpackungen aus Recyclingplastik. Verpackungshersteller nutzen die Euphorie von uns Konsument*innen für die Umwelt und entledigten sich, anstelle Recyclingplastik zu verwenden, ihrer eigenen Produktionsabfälle. Na dann. Mit einem guten Gefühl in der Tasche geben wir dafür doch gerne mehr Geld aus. Ziert das ganze noch dazu ein vertrauenerweckendes Logo. Self-made versteht sich.
6. Grüne Behauptungen oder auch vage Aussagen, die vom eigentlichen Kerngeschäft ablenken.
Fast mein Lieblings-Greenwashing-Beispiel. Obwohl 99 % der gewonnenen Energie aus Kohlekraft stammen, wirbt ein Energie-Hersteller mit Windkraft. Die Scheinheiligkeit der höchst aufwendig produzierten Werbekampagne fiel jedoch sogar Laien sofort auf. Und die Reaktion von Greenpeace ließ nicht lange auf sich warten. Im neuen Drehbuch wurde aus dem einst so liebenswerten Energieriesen, der quietschvergnügt zu dem Song „I love the Mountains“ von Boom De Ah Dah seine Windräder verteilt, ein gefährlicher Umwelt- und Klimakiller. Doch. Mach dir selbst ein Bild über Werbung und Realität.
7. Werbung, die Selbstverständliches betont.
Eine fabelhafte Idee: Beschreibungen verwenden, die irrelevant sind, sowieso gesetzlich vorgeschrieben oder die ohnehin keiner versteht. Ein echter Klassiker ist die Bezeichnung FCKW-frei. Obwohl das Treibmittel seit den 90ern verboten ist, wirbt ein Haarspray-Anbieter auch heute noch am Produkt damit.
8. Imaginäre Gütesiegel ohne Erklärung.
Ein Siegel, das wie eine neutrale Bestätigung aussieht, aber erfunden ist. Praktisch. Das erspart einem Unternehmen den meist aufwendigen Zertifizierungsprozess. Gerade total im Trend: Vegan-Fake-Zeichen. Denn obwohl im angebotenen Produkt niemals tierische Stoffe enthalten sein können, ziert das Produkt dennoch ein selbstkreiertes Vegan-Zeichen. Oder. Produkte, bei denen man wetten könnte, dass sie vegan sind, es aber schlussendlich nicht sind z.B. Binden, Fruchtsäfte (Klebstoff). Und zu meinem großen Bedauern, Wein.
9. Blabla! Irgendwas Technisches oder Fachjargon.
Informationen, die nur Wissenschaftler*innen und Fachexper*innen verstehen können. Oft werden irgendwelche ISO-Normen, also technische Nummern auf eine Verpackung gedruckt und schon wird ein Produkt als sicherer wahrgenommen.
Fazit: Aus Greenwashing wurde Ernst und Ernst verdient heute Milliarden!
Eines ist klar: Greenwashing ist nichts, das einem Unternehmen einfach passiert. Ob grüne Siegel, romantisch klinge Slogans oder eine kreative Bildsprache – an Einfallsreichtum scheint es den Unternehmen nicht zu fehlen. Deswegen ist es für uns Konsument*innen umso wichtiger, genau hinzuschauen und die Inhaltsstoffe, die Produktaufmachung oder auch die „grünen“ Produkte selbst zu hinterfragen. Denn schlussendlich kaufen wir nie nur ein Produkt, sondern formen damit unsere Identität. Unser ich.
Liebe Grüße ich
by Nadina Ruedl
Quellen:
- Umweltbundesamt, Umsatz mit grünen Produkten.
- Academia, 6 sins of greenwashing.
- Statista, Käufertypen-Zahlungsbereitschaft für umweltfreundliche Produkte.
- Bundesregierung, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.
- Corp Watch, Fact-Sheet Greenwahing.
- Gabler Wirtschaftslexikon, Definition Greenwashing.
- Reset, Greenwashing – Die dunkle Seite der CSR.
- Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Grüne Produkte sind gefragt.
- 3sat, Greenwashing: Konsum gegen den Klimawandel?
- Der Tagesspiegel, Guter Gedanke, geringer langfristiger Nutzen.
- ORF, Flaschen zu Fetzen: Sinn und Unsinn von Recyclingmode.